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Petros Markaris: Der Tod des Odysseus

  510 Wörter 2 Minuten 780 × gelesen
2018-07-16 2018-07-16 16.07.2018

Sieben Geschichten über Irrfahrer und Glückssucher in Griechenland, Deutschland und in der Türkei, über Verbrechen aus Hass, Neid und Angst gegenüber Rivalen und Fremden versammelt der bekannte griechische Schriftsteller Petros Markaris – selbst ein Grenzgänger zwischen den Kulturen – in seinem Erzählband „Der Tod des Odysseus“, der im Diogenes-Verlag erschienen ist. Neben den beiden Kriminalfällen, die sein bekannter Romanheld, der Athener Kriminalkommissar Kostas Charitos zu lösen hat, handeln die Geschichten von Menschen, die wie der namensgebende antike Held in der Fremde unterwegs sind, Prüfungen zu bestehen haben und Widersachern ausgesetzt sind.

Der Odysseus der griechischen Mythologie, König von Ithaka, tapfer und klug, listig und verschlagen, hat, so schildert es das Epos von Homer, auf seiner abenteuerlichen Heimfahrt nach dem Fall Trojas eine Reihe von gefährlichen Abenteuern zu bestehen: Er kommt zu den Zyklopen und den menschenfressenden Lästrygonen, erreicht die Inseln des Windgottes Äolus und der Zauberin Kirke, fährt an den Sirenen vorbei und lässt sich von der Nymphe Kalypse sieben Jahre aufhalten. Der Odysseus in Petros Markaris Geschichte „Der Tod des Odysseus“ ist ein alter Bettwarenhändler, der niemanden mehr hat außer seinen Katzen. Als eine von ihnen stirbt, beschließt er, die übrigen ins Tierheim zu geben, Athen den Rücken zu kehren und seine letzten Lebensjahre in seiner geliebten Heimatstadt Istanbul zu verbringen. Doch als er dort ankommt, ist er nicht erwünscht. Wie diese Geschichte handeln auch weitere von besonderen Schicksalen: etwa von Gastarbeitern in Deutschland und Migrantenschicksalen.

Die längste Geschichte des Erzählbandes, die den Titel „Drei Tage“ trägt, schildert die Ereignisse vom 5. auf den 6. September 1955: In dieser Nacht wurden Geschäftsräume, griechisch-orthodoxe Friedhöfe und Schulen, aber auch Privatwohnungen von in Istanbul lebenden und arbeitenden Griechen zerstört und geplündert. Markaris beschreibt diese Nacht und die weitere Entwicklung am Beispiel des Kleinunternehmers Vassilis und seiner Familie – spannend und beklemmend zugleich.

Die beiden Fälle, in denen Kostas Charitos zu Beginn und am Ende des Erzählbandes in Athen ermittelt, führen in die griechische Kulturszene, die, wie Petros Markaris in den beiden Geschichten erzählt, von Neidern und Verbrechern durchdrungen ist. Die Geschichte „Mord an einem Unsterblichen“ lässt den Leser hinter die Kulissen des griechischen Literaturbetriebes blicken. Ein Schriftsteller liegt mit eingeschlagenem Schädel in seinem Arbeitszimmer. Ist der Täter unter seinen Schriftstellerkollegen zu finden? Schließlich ist, so berichtet sein Verleger, „die Zahl der Neider seit seiner Kandidatur zum Akademiemitglied noch angewachsen“. Und eine erfolgreiche Wahl „bringt heutzutage keine künstlerische und wissenschaftliche Anerkennung. Sie befriedigt bloß die persönliche Eitelkeit und bringt ein saftiges Gehalt ein“, lässt Markaris den Verleger sagen. In der Geschichte „Poems and Crimes“ liegt ein bekannter Film-Regisseur erschlagen im Hinterhof einer Rembetiko-Kneipe, die gleichzeitig Verlag, Buchhandlung und Café ist. Kommissar Charitos kennt den Toten, hat er ihn doch am Vorabend selbst in dieser Kneipe Rembetiko tanzen sehen. Seine Ermittlungen führen ihn in die griechische Filmbranche. In beiden Geschichten baut Markaris aktuelle gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen in Griechenland ein und übt entsprechende Kritik.

Der Tod des Odysseus
Petros Markaris
Roman,
Hardcover Leinen: 224 Seiten
Verlag: Diogenes Verlag
Aus dem Neugriechischen
von Michaela Prinzinger
Auflage: 26.10.2016
ISBN-13: 978-3-257-06979-2
Preis: 22,00 EUR